SCRUM ist kein Buzzword-Bingo-Keyword
- Mike Kunze
- 14. Nov. 2024
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 24. Nov. 2024
SCRUM hat sich in den letzten Jahren stark verbreitet. Man könnte fast von einer Epidemie sprechen. Geschäftsführer, Führungskräfte, Coaches sprechen plötzlich von Agilität und in diesem Zusammenhang von SCRUM.
Dort, wo ein Team nicht so funktioniert, wie es die Hierarchieebenen gerne hätten, fällt der Begriff SCRUM. Wo man das Gefühl hat, mit der Zeit gehen zu müssen, hört man SCRUM. Manchmal tauchen auch andere Begriffe auf. Kanban oder das Modell von Spotify, wo man sich in Gilden und Squats und Tribes aufteilt.
Da ich mein ganzes Berufsleben in der Softwareentwicklung verbracht habe, denke ich, dass ich einen natürlichen Hang zum agilen Arbeiten habe. Natürlich kläre ich alle Fragen und löse alle Bedenken, bevor ich mit der Arbeit beginne. Ich halte nicht an Lösungen fest, sondern reagiere auf Veränderungen. Ich brauche niemanden, der mir erklärt, wie meine Arbeit funktioniert. Ich weiß es selbst besser und habe in der Regel auch mehr Erfahrung. Ich brauche klare Zusagen und ein Umfeld, in dem progressive Innovation und Kommunikation gelebt werden. So geht es wahrscheinlich vielen in der IT.
Ist SCRUM die Lösung? Vielleicht, oder wie es bei Softwareentwicklern immer so schön heißt: „Depends on“. Ein Satz übrigens, der uns mit den Juristen verbindet. Es kommt auf den Kontext und das Ziel an.
Spannend an der Entwicklung der letzten Jahre zum Thema SCRUM finde ich, dass jetzt eine Ernüchterung eintritt. Plötzlich ist SCRUM und Agil gar nicht mehr die Lösung. Es hat nichts verbessert und ist nur Spielerei, höre ich manchmal.
Man kann sich fragen, woher dieser Sinneswandel kommt? Ich glaube, es war ein Artikel in der CT, der mich vor einiger Zeit zum Schmunzeln gebracht hat. „Der Chef versteht Agil nicht“
Und wenn ich in Gesprächen über agile Methoden, über SCRUM und die Umsetzung im Netzwerk spreche und diskutiere, dann fällt mir eines ganz deutlich auf. SCRUM wird so gut wie nie konsequent umgesetzt. Gerade die sogenannten Entscheider leiden unter - nennen wir es - „Angst vor Machtverlust“. Ich erlebe Product Owner, Product Manager, die sich als Vorgesetzte in Teams aufspielen oder gar keine Verantwortung mehr übernehmen. Vertriebs- oder Business Development-Abteilungen, die wie immer ihre Ziele und Termine planen und kommunizieren. Wenn der Kunde etwas will, müssen alle springen. Und in den großen Runden heißt es dann. Die Entwicklung macht doch SCRUM. Bald wird alles besser!
Wer SCRUM praktiziert oder agil arbeiten will, muss die Grundtugenden beherrschen. Flexibilität, Schnelligkeit, proaktives Handeln, vorausschauendes Denken, Ehrlichkeit, Offenheit. Machtpositionen stören. Der Moment, in dem jemand aufgrund seiner Position seine Entscheidungen durchsetzen kann, ist der Moment, in dem die Agilität stirbt.
Das heißt nicht, dass es keine Leitplanken geben darf. Im Gegenteil, diese sind wichtig. Wer sie nicht einhalten kann, tötet die Agilität und das Produkt.
Wenn eine Leitplanke im Weg ist, muss man reden. Nicht fordern!
SCRUM ist mehr als ein Modewort. Es ist ein Mindsetting oder anders ausgedrückt eine Haltung!